Drei Fragen an: Gerhard Becker von der Vereinigung MaxTex

Niedriglöhne, prekäre Beschäftigungsverhältnisse und Verstöße gegen Umweltstandards prägten das mediale Bild der Textilindustrie in den letzten Jahren. Es ist deutlich geworden, dass Unternehmen auch eine besondere Verantwortung gegenüber den Beschäftigten in ihrer Lieferkette haben.  Gleichzeitig steigen die gesetzlichen Anforderungen an Unternehmen und öffentliche Beschaffer*innen – wie zuletzt durch das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) der Bundesregierung oder die angekündigte Regulierung auf EU-Ebene.

Um den aktuellen Herausforderungen gerecht zu werden, setzen viele Unternehmen auf Branchenlösungen. Hier werden Lösungsansätze gemeinsam entwickelt. Die Vereinigung MaxTex ist ein Verband, der sich das Ziel gesetzt hat, nachhaltiges Handeln sowie soziale, ökologische und ökonomische Verantwortung in den Fokus von Textilunternehmen zu rücken.

Zusammen mit den Mitgliedsunternehmen entwickelt die 2014 gegründete Vereinigung Good-Practice-Lösungen, realisiert Business-Projekte und unterstützt in der Kompetenzerweiterung sowie der gemeinsamen Arbeit an nachhaltigen textilen Innovationen. Im Jahr 2021 wurde darüber hinaus die MaxTex Academy for Sustainable Textiles gegründet. Die Mitgliedsunternehmen sollen so unterstützt werden, dass theoretische Grundlagen und das für die Anwendung notwendige Know-how aufzubauen und weiterzuentwickeln. Auch Scholz & Friends Reputation bietet im Rahmen der MaxTex Academy Seminare zu den Themen Nachhaltigkeitskommunikation und unternehmerische Verantwortung in Lieferketten an.

Gerhard Becker ist Geschäftsführer der Vereinigung MaxTex. Er gibt uns in der dritten Ausgabe unseres Newsletters „CR: Einblicke & Ausblicke“ Auskunft über aktuelle Entwicklungen zu Nachhaltigkeit in der Mode- und Textilbranche. Darüber hinaus thematisiert er, welchen drängenden Nachhaltigkeitsthemen sich die kommende Bundesregierung widmen sollte.

Geschäftsführer der Vereinigung MaxTex: Gerhard Becker

Drei Fragen an Gerhard Becker:

  1. Herr Becker, die letzten 1,5 Jahre haben die Mode- und Textilindustrie hart getroffen. Sehen Sie, dass die Corona-Krise die Nachhaltigkeitsdiskussion verändert hat? Wenn ja, wie?

Zunächst einmal hat diese Krise die Textilwirtschaft – neben fairerweise einigen anderen Branchen – zum Teil schwer getroffen. Insbesondere der stationäre Textil-Einzelhandel, aber auch Unternehmen im B2B-Bereich mussten zusehen, wie Ihre Umsätze gegen Null tendierten. Denken wir nur an die durch den Lockdown sehr lange geschlossenen Modegeschäfte, die Hotellerie und die Gastronomie. Berufskleidung und Tischwäsche hat in dieser Zeit kaum noch jemand produzieren lassen.

Aus der Beobachtung der Branche ist mein Eindruck allerdings, dass Unternehmen, die sich ernsthaft und seit längerer Zeit mit Nachhaltigkeit und Unternehmensverantwortung beschäftigen und dies auch umsetzen, besser durch diese Zeit gekommen sind. Verantwortungsvoll handelnde Unternehmen sorgen zum einen wirtschaftlich vor und haben zum anderen zu den Akteuren in der Lieferkette und ihren Mitarbeiter*innen eine meist starke und positive Bindung.

Die kritische Betrachtung unseres unternehmerischen, aber auch persönlichen Handelns hat mit Corona deutlich zugenommen. Das fängt beim Artenschutz und der Biodiversität an, geht über die Frage des persönlichen Konsumverhaltens – Stichwort “fast-fashion” – bis hin zu der derzeit akuten Lieferkettenproblematik. Zustände, auch im Bereich der Menschenrechte, die man bisher einfach hingenommen hat, werden nun genauer betrachtet. Ich kann nur sagen “gut so”!

Der unglaubliche Zuspruch zu unseren breit aufgestellten Seminaren und Workshops der MaxTex Academy, die ja bewusst einen gesamtheitlichen oder auch holistischen Ansatz lehren, zeigt einen eindeutigen Trend.                   

  1. Welche sind für Sie die drängendsten Nachhaltigkeitsthemen in Ihrer Branche? Welche gegenwärtigen Entwicklungen oder Innovationen finden Sie in diesem Kontext besonders wegweisend?

Das Thema Kreislaufwirtschaft, bezogen auf die gesamte Lieferkette, rückt zunehmend in den Mittelpunkt, da der Ressourcenverbrauch nachhaltig gesenkt werden muss. Hier liegt ein großes Innovationspotenzial, da es nach wie vor eine große Herausforderung ist, unterschiedliche Misch- und farbige Gewebe einer vernünftigen Wiederverwertung im Sinne eines Re- oder Upcyclings zuzuführen. Das Gleiche gilt, für die zur Herstellung von Ausrüstung benötigten, schwierigen Textilien. Es stellt sich also die Frage nach der Sortenreinheit von Fasern.

Lösungsansätze gibt es bereits bei der Gewebezusammensetzung im Entstehungsprozess des Textils, aber auch in technischen oder chemischen Trennverfahren am Ende des ersten Gebrauchszyklus. Der Nutzen der recycelten Fasern ist unbestritten. Bereits heute werden so gewonnene Ressourcen beispielsweise bei den holzbasierten Cellulosefasern oder auch im Baumwollbereich zumindest als Beimischung genutzt. Schon seit längerem erfolgt auch der Einsatz von recycelten Polyesterfasern, die allerdings vorwiegend aus alten PET-Flaschen gewonnen werden.

Nicht zu vergessen sind aber auch die logistischen Herausforderungen bei der Rückführung von Alttextilien, die zukünftig mit digitaler Hilfe gelöst werden sollten. Eine funktionierende Kreislaufwirtschaft käme auch dem Klimaschutz zugute, könnte man hier sehr viele Ressourcen und damit auch Transportwege einsparen.

Darüber hinaus ist es dringend notwendig, die Lieferketten transparent, nachvollziehbar und vor allem sicher zu machen. Die aktuelle Versorgungslage vieler Branchen zeigt hier großen Handlungsbedarf. Dabei dürfen Menschenrechte und ökologische Themen nicht in Vergessenheit geraten. Ebenfalls eine riesige Herausforderung!

  1. Aus aktuellem Anlass: Was erwarten Sie in diesem Kontext von der kommenden Bundesregierung?

Historisch betrachtet wurden große Erwartungen an die Politik häufig enttäuscht und ich befürchte, dass es auch dieses Mal der Fall sein wird. Gleichwohl wünsche ich mir den Abbau der zum Teil völlig absurden und alles blockierenden Bürokratie, damit wir den Ausbau und die Erneuerung unserer Infrastruktur – z. B. Bahn und digitale Netze – sowie den Ausbau erneuerbarer Energien endlich voranbringen. Davon würden Unternehmen im gesamten Land profitieren.

Was speziell die textile Nachhaltigkeit betrifft: Ich würde mir wünschen, dass das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung so aufgestellt wird, dass der unter dem jetzigen Minister Müller begonnene Prozess mit der einen oder anderen Optimierung fortgesetzt wird.

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