Drei Fragen an Alexandra Vitt-Krauß

Leiterin Marketing & Kommunikation bei der Bethmann Bank.

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Dem Finanzsektor kommt eine Schlüsselrolle zu, wenn es darum geht, eine umfassende Transformation zu einer nachhaltigen Wirtschaft erfolgreich zu gestalten. Durch Umlenken von Kapitalströmen sollen ein entscheidender Anschub gegeben werden, die internationalen Klimaziele und die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) zu erreichen. Über die besondere Kraft des Kapitalmarkts sind sich auch die Europäische Union und die Bundesregierung einig; letztere mit dem ambitionierten Ziel, Deutschland zu einem führenden Sustainable Finance-Standort auszubauen. Eine nachhaltige Finanzwirtschaft, die ESG-Faktoren bei allen finanzwirtschaftlichen Entscheidungen und Aktivitäten umfassend berücksichtigt, wird zum wichtigen Hebel für den Wandel. Detaillierte Regulierungen für den Finanzsektor sollen die Transformation vorantreiben – und formulieren bereits heute neue Anforderungen an die Entwickler und Anbieter von Finanzprodukten sowie Finanzberatungen.

Davon betroffen ist auch der langjährige Kunde von Scholz & Friends Reputation, die Bethmann Bank – eine Marke der ABN AMRO N.V. Frankfurt Branch. Wir sprachen mit Alexandra Vitt-Krauß, Leiterin Marketing & Kommunikation der Bethmann Bank, über ihre Erfahrungen und den Umgang mit dieser Entwicklung, über Impact Investing und die Zukunft von Sustainable Finance.

S&F: Sustainable Finance klingt nach Hedge-Fonds und Aktienmärkten. Können Sie kurz zusammenfassen, worum es geht und ob das Thema für KMUs oder andere nicht-finanzmarktorientierte Organisationen überhaupt relevant ist?

Alexandra Vitt-Krauß: Die sogenannte SFDR oder SFR – also Sustainable Finance Disclosure Regulation – ist der Fachbegriff für eine europäische Regelung, die dafür Sorge tragen soll, dass Nachhaltigkeitsfaktoren bei den Entscheidungsprozessen für Investitionen und Finanzierungen berücksichtigt werden. Zunächst betrifft das in erster Linie die Entwickler und Anbieter von Finanzprodukten und Finanzberatungen, wie zum Beispiel uns Banken, aber auch Vermögensverwaltungen, institutionelle Investoren oder Versicherungen. Die Richtlinien sehen vor, dass wir offenlegen müssen, inwiefern wir Nachhaltigkeitsfaktoren in unseren Finanzlösungen einbeziehen. Das bedeutet im Umkehrschluss auch, die wesentlichen negativen Nachhaltigkeitsauswirkungen unserer Finanzprodukte öffentlich zu kommunizieren. Diese Anforderungen bedeuten einen hohen Veränderungsdruck, arbeitsintensive Prüfungen und Prozessänderungen.

Aber das ist nur die erste Linie der Veränderung. Indirekt hat dies selbstverständlich auch erhebliche Auswirkungen auf nicht-finanzmarktorientierte Unternehmen, und zwar auf verschiedensten Wegen. Denken wir zum Beispiel an die Kreditvergabe, denn wenn Banken ihre Finanzierungsangebote an Nachhaltigkeitsfaktoren ausrichten, müssen sich auch die Unternehmen, die die Kredite benötigen, daran orientieren. Darüber hinaus können aber auch Ratings oder Informationspflichten von Partnern und Kunden erhebliche Veränderungen in den nachgelagerten Wirtschaftssektoren – letztlich in der gesamten Wirtschaft – bewirken. So ist es ja auch gewollt.

S&F: Bei dieser veränderten Reichweite, wird das Thema da nicht auch für Privatpersonen zunehmend interessant? Was bedeutet das für die Vermögensverwaltung?

Alexandra Vitt-Krauß: Im Bereich der Vermögensverwaltung beobachten wir schon heute eine allgemein steigende Nachfrage nach grünen Investitionsmöglichkeiten. Im Jahr 2021 zeichnete sich in Deutschland laut des Marktberichts des Forums Nachhaltige Geldanlagen ein Wachstum nachhaltiger Geldanlagen um 50 Prozent auf 501,4 Milliarden Euro ab. Und es ist davon auszugehen, dass der Markt auch weiterhin deutlich wachsen wird. Dabei sind private Anleger:innen Wachstumstreiber:innen für nachhaltige Geldanlagen: Ihr Anlagevolumen belief sich laut FNG-Bericht im Jahr 2021 auf 131,2 Milliarden Euro – ein Wachstum von 230 Prozent im Vergleich zu 2019.

Das gesteigerte Interesse beobachten wir auch bei unseren Privatkund:innen. Aufgrund regulatorischer Vorgaben sind wir dazu verpflichtet, unsere Kund:innen nach ihren individuellen Präferenzen für nachhaltige Investments zu befragen. Diese ermitteln wir in ausführlichen Gesprächen und erläutern, wie wir negative Auswirkungen reduzieren bzw. aktiv zu positiven Entwicklungen beitragen können. Auf Basis der jeweiligen Nachhaltigkeitspräferenzen der Kund:innen erstellen wir anschließend Nachhaltigkeitsprofile und geben individuelle Anlageempfehlungen. Die besonders ambitionierten bzw. bewussten Anleger:innen nennen wir Impact-Investor:innen. Impact-Investor:innen setzen voraus, dass ausschließlich in Unternehmen investiert wird, die einen positiven Beitrag zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele leisten, und legen Wert auf eine gute Unternehmensführung. In diesem Nachhaltigkeitsprofil wird daher ein besonderer Fokus auf die Sustainable Development Goals (SDGs) gelegt. Die Investitionen erfolgen in eine wirtschaftliche Aktivität oder ein Unternehmen, das einen Beitrag zu einem ökologischen oder sozialen Ziel leistet, dessen Wirkung messbar sein muss.

Mit dieser Entwicklung wird die nachhaltige Vermögensverwaltung als Finanzprodukt im Sinne von Artikel 8 bzw. 9 der Offenlegungsverordnung generell gestärkt. Nachhaltigkeitskriterien spielen daher in unserer Unternehmens- und Länderanalyse eine wichtige Rolle. Wir berücksichtigen ökologische, soziale und unternehmensethische Kriterien, um werthaltige Unternehmen zu identifizieren, die aufgrund ihrer verantwortungsvollen Geschäftspolitik ein attraktives und langfristig stabiles Gewinnpotenzial aufweisen. Wir haben uns zum mittelfristigen Ziel gesetzt, den Anteil der nachhaltig verwalteten Kund:innengelder an den in der zentralen Vermögensverwaltung insgesamt gemanagten Vermögen auf 80 Prozent zu steigern.

S&F: Was denken Sie, wo steht Sustainable Finance in 10 Jahren? Was wird uns in dem Zusammenhang zukünftig bewegen?

Alexandra Vitt-Krauß: Wir sehen schon heute, dass sich die Kundennachfrage verschiebt. In 10 Jahren wird sie sich wahrscheinlich noch einmal stark verändert haben. Und damit auch die Trends, Themen und Anforderungen an herkömmliche Produkte. Wir erwarten eine weitere Zunahme des bereits erwähnten Impact Investing. Studien gehen davon aus, dass ESG-Vermögenswerte weiter ansteigen werden. So prognostiziert zum Beispiel ein kürzlich erschienener PwC-Bericht, dass in weniger als fünf Jahren 21,5 Prozent der weltweit verwalteten Vermögenswerte ESG-Anlagen sein werden.

Aktuell zeichnet sich in ESG-Rankings und -Ratings ab, dass Themen wie Biodiversität, die in der Vergangenheit nicht oder nur wenig im Fokus von Finanzunternehmen standen, in Zukunft an Bedeutung gewinnen werden, da sie sich zunehmend als einflussreiches Risiko herauskristallisieren. Schließlich hängen 50 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung von Natur und Ökosystemen ab. Das weltweit fortschreitende Artensterben und die Zerstörung von Ökosystemen wird zunehmend zu einem finanziellen Risiko für den Finanzsektor, wie eine Studie von PwC und WWF jüngst unterstrich.

Auch das S in ESG, also die soziale Komponente, wird nach und nach stärker in den Fokus rücken. Deutsche Banken, Versicherungen und Asset Manager stehen hier noch am Anfang.

Mit den Themen werden sich ebenfalls die Schwerpunkte verschieben: Durch die verstärkte Auseinandersetzung mit den finanziellen Risiken und Chancen des Klimawandels , ebenso wie durch steigende regulatorische Anforderungen an die Transparenz – bedingt durch die vor Kurzem verabschiedete Corporate Social Responsibility Directive (CSRD) – wird auch in der Finanzbranche der Fokus auf die Klimastrategien von Unternehmen zunehmen.

S&F: Wir bedanken uns für die Einblicke und das Gespräch.

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