Kommentar - Nach der Wahl: Warum Nachhaltigkeit mehr als Klimaschutz sein muss

Die Bundestagswahl 2021 ist Geschichte. Ihre Ergebnisse markieren eine Zeitenwende – insbesondere angesichts der bevorstehenden gesellschaftlichen und ökologischen Herausforderungen. Doch entgegen vieler Wahlkampf-Slogans darf sie nicht als reine „Klimawahl“ interpretiert werden: Die kommende Bundesregierung sollte größer denken und einen tiefgreifenden Wandel angehen. Sie muss Nachhaltigkeit zum Leitmotiv ihres Handelns machen. Inspiration dafür liefern Unternehmen jeden Tag. Ein Kommentar in fünf Thesen.

von Christiane Stöhr und Dr. Norbert Taubken

Geschäftsleitung bei Scholz & Friends Reputation: Christiane Stöhr und Dr. Norbert Taubken

These 1:

Das Thema Klimaschutz spielte in den Wahlprogrammen aller demokratischen Parteien eine zunehmend wichtigere Rolle: Gut so! Nutzen wir diese Dynamik, um Nachhaltigkeit umfassender zu denken.

  • Engagement plus Wirtschaft: Alle demokratischen Parteien messen in ihren Wahlprogrammen dem Klimaschutz eine besondere Bedeutung zu. Oft wird Wirtschaft nur als Teil des Problems und nicht der Lösung gesehen. Wir denken: zivilgesellschaftliches Engagement zusammen mit unternehmerischer Innovationskraft kann mehr Wirkung entfalten! Gerade engagierte Unternehmen haben die Zeichen der Zeit erkannt und sind teilweise deutlich weiter in ihren Strategien als politische Entscheidungsträger*innen. Sie zeigen auch durch gezieltes Agenda Setting, wie ein Nachhaltigkeitsdiskurs zukunftsgerichtet gestaltet werden kann. Insbesondere der Anspruch von immer mehr Unternehmen nicht nur klimaneutral sondern sogar klimapositiv werden zu wollen (z. B.  Henkel und VILSA), kann als Treiber für weiteres politisches Handeln genutzt werden.
  • Mediendiskurs erweitern: Den neuen Schwung in der Klimadebatte müssen wir nutzen, um Nachhaltigkeit umfassender zu denken. Weg von reinem Klimafokus, hin zu einer ganzheitlicheren Betrachtungsweise! In unserer Gesellschaft müssen grundsätzlichere Fragen gestellt und beantwortet werden: Wie wollen wir in Zukunft zusammenleben? Wie müssen wir unsere Lebensweise an die ökologischen Herausforderungen anpassen? Wie können wir gesamtgesellschaftlich dafür Lösungen finden? Wie gehen wir mit den individuellen Auswirkungen von Veränderungen um? Der Fokus im TV-Kanzler*innenduell auf den Kosten des Klimaschutzes (z. B. aufgrund höherer Energiepreise) war dabei symptomatisch für die reduzierte thematische Diskussion. Stattdessen müssen wir die sozial-ökologische Transformation positiv moderieren und dessen Chancen herausheben. Ein klarer Fokus auf Nachhaltigkeit wird viele neue, hochwertige Jobs schaffen und gleichzeitig eine lebenswerte Umwelt bewahren.
  • Wirkung auf Parteien: Deswegen: Eine holistisch geführte und positiv moderierte Nachhaltigkeitsdebatte hilft dabei, den reinen Klimadiskurs sinnvoll einzuordnen, Verbindungen und Synergien zwischen verschiedenen Themengebieten zu erkennen und diese für die Gestaltung der notwendigen Transformation zu nutzen. Wenn wir dieses Prinzip verinnerlichen, vermeiden wir ein Gegeneinander zugunsten einer Suche nach den besten Lösungen. Dieses Verständnis muss sich dann deutlich stärker in künftigen Parteiprogrammen niederschlagen.  Und es sollte handlungsleitend für eine kommende Regierung sein.

These 2:

Ein ganzheitliches Verständnis von Nachhaltigkeit hilft, vermeintliche Gegensätze in der politischen Debatte aufzulösen: kein Ausspielen von ökologischen und sozialen Interessen, mehr Vereinbarkeit von ökonomischen und gesamtgesellschaftlichen Anforderungen.