Kommentar: Baumwollland Indien: Die Weichen in der Baumwollverarbeitung grüner stellen

In drei Beiträgen werden hier Erfahrungen einer Feldreise nach Indien zu Baumwollverarbeitung und -anbau veröffentlicht. Teil 2 befasst sich mit Umweltbedingungen in der Wertschöpfungskette.

Bis aus Baumwollfasern ein T-Shirt wird, ist es ein weiter Weg. Zum einen rein geografisch, da hier oft Tausende Kilometer zurückzulegen sind. Zum anderen durch die Vielzahl der Prozessschritte, die in verschiedenen Fabriken und Organisationen zu durchlaufen sind, bevor ein Textil in den internationalen Handel kommt. Das Schaubild zeigt die Stationen im Überblick, die Baumwolle typischerweise innerhalb von Indien durchläuft. Dabei wurden die Stationen 1 und 2 im ersten Blogbeitrag dieser Reihe behandelt.

Abb. 1: Die Wertschöpfungskette von Baumwolle im Überblick (Grafik von Dibella GmbH, eigene Bearbeitung).

Jede dieser Stationen hat sehr spezifische Herausforderungen. Sollen Baumwolltextilien besonders nachhaltiger Qualität in den Handel gebracht werden, führt dieses zu Anforderungen an die gesamte Wertschöpfungskette, vom Anbau bis zur Näherei. Diese Nachhaltigkeitsanforderungen liegen auf drei Ebenen: Sie beziehen sich auf die Minimierung negativer Umweltauswirkungen, auf die Sicherung von Arbeits- und Sozialstandards und – was meist nicht berücksichtigt wird – auch auf ein langfristig tragfähiges, also nachhaltiges Geschäftsmodell für alle Beteiligten in der Wertschöpfungskette. Im Mittelpunkt dieses Blogbeitrags stehen die Umweltauswirkungen.

Logistik innerhalb Indiens als Umweltthema

Auch wenn umweltbezogene Auswirkungen zunächst mit der Wahl des Saatguts und den Anbaumethoden von Baumwolle verbunden werden (vgl. Teil 1 dieser Reihe), gibt es einige wichtige Weichenstellungen im Verarbeitungsprozess: Nach ihrer Ernte müssen die Baumwollfasern entkörnt werden („Ginning“), bevor sie zu Fäden versponnen werden. Diese Entkörnungsanlagen müssen für nachhaltige Baumwolle vollständig separierte Prozesse anbieten, um Verunreinigungen mit genetisch verändertem Saatgut auszuschließen. Da auch Ginning Mills ausgelastet werden müssen, um profitabel zu arbeiten, müssen per LKW oft weite Strecken zwischen den Baumwollanbaugebieten Zentralindiens zurückgelegt werden. Dies führt zu zwei häufig nicht berücksichtigten Aspekten in der Nachhaltigkeitsbilanz von Baumwolle: Die innerindische Logistik erhöht den CO2-Fußabdruck von Baumwolltextilien. Zudem erhöht der LKW-Verkehr die Belastungen von Anwohnern durch Lärm, Abgase und die in Großstadtnähe üblichen Staus. Und wer schon einmal auf Indiens Straßen unterwegs war, hat ein Gefühl für das Unfall-Risiko…

Abb. 2 und 3: Vor allem im Umfeld von Städten wird der Verkehr zur Herausforderung und Belastung.

Ein Schritt in die richtige Richtung ist der Bau einer feldnahen Entkörnungsanlage. Chetna Organics als Kooperative nachhaltiger Kleinbauern möchte daher auch in den Baumwollregionen des nördlichen Bundesstaates Telangana eine eigene Ginning Mill für nachhaltige Baumwolle aufbauen. Dies erfordert jedoch eine hohe Auslastung und damit Nachfragemenge durch die Vertragspartner, um die Investitionen zu rechtfertigen. So könnte ein hoher Nachfragedruck nachhaltige Baumwolle aufgrund der reduzierten Fahrstrecken noch umweltfreundlicher machen. Zugleich würden die ersten Prozessschritte in der Wertschöpfungskette effizienter gemacht werden. Die nächsten Stationen in der Verarbeitung führen zu noch längeren Transportwegen. Denn viele Spinnereien, Webereien und Nähereien liegen im Bundesstaat Tamil Nadu im Süden Indiens.

Unterwegs auf der Straße sind nachhaltige Baumwolle und konventionelle Fasern einfach zu unterscheiden. Aufgrund der Verunreinigungsgefahr wird der nachhaltige Rohstoff nicht unverpackt, sondern stets in Säcken transportiert.

Nassprozesse im Fokus

Die relevantesten Umweltauswirkungen bei der Erstellung von Baumwolltextilien liegen in den so genannten Nassprozessen, in denen Chemikalien zur Verbesserung der Fasereigenschaften oder zum Färben der Stoffe eingesetzt werden. Insbesondere Greenpeace hat mit seiner Entgiftungskampagne (www.greenpeace.de/kampagnen/detox) immer wieder darauf aufmerksam gemacht. Die Auswahl der Chemikalien wie auch die sachgerechte, umweltschonende Entsorgung oder Wiederaufbereitung sind der Schlüssel zur Reduktion von Umweltschäden. Sollen Verbesserungen dieser Art in den Fabriken umgesetzt werden, sind deutliche Investitionen notwendig. Aus Sicht der Textilfabrikanten erfolgen sie dann, wenn sie durch Gesetzeskonformität geschäftssichernd oder durch Vorgaben von Handelspartnern vertriebsförderlich sind.

Effiziente Veränderungen beim Chemikalienmanagement werden erzielt, wenn bei Management und Mitarbeiterschaft das Bewusstsein für die Gefahren – auch für die langfristigen Folgeschäden – gebildet wird. Ein wichtiger Verstärker sind „Top Down“-Prozesse, die jeder Mitarbeiterin und jedem Mitarbeiter einen klaren Handlungsrahmen aufzeigen. Die Abbildungen 6 und 7 zeigen ein Beispiel aus einem indischen Textilunternehmen, das auf Betreiben eines japanischen Handelspartners die 5S-Methode eingeführt hat (Die 5S werden im Deutschen grob als Sortieren, Systematisieren, Säubern, Standardisieren und Selbstdisziplin übersetzt). Ordnung und Strukturen werden an jedem Arbeitsplatz in einer Weise vorgegeben, wie es aus meiner Sicht schon fast übertrieben war: Selbst der Platz eines Lochers auf dem Schreibtisch ist festgelegt. Die Rücken von Aktenordnern werden mit Ornamenten bemalt, so dass auch ein Analphabet sofort erkennt, ob ein Ordner an der richtigen Stelle im Regal steht.

Abb. 6 und 7: Klare Strukturen schaffen. Ob in der Aktenablage oder beim Trennen von Abfällen.

Der Erfolg gibt dem Ansatz Recht. Aufgrund der gestiegenen Produktivität wie auch Mitarbeiterzufriedenheit wurde dieses Managementsystem inzwischen auf die Spinnerei, die Weberei und die Näherei des Familienunternehmens ausgeweitet. Diese klaren Vorgaben bilden seitdem die Grundlage, Anforderungen von Handelspartnern an Qualitätsmanagement, Umweltschutz und Chemikalienmanagement effizient umzusetzen. Und selbstverständlich unterstützte die 5S-Methode auch die Einführung und Sicherung von Arbeits- und Sozialstandards in diesen Fabriken. Darüber mehr in meinem nächsten Beitrag.

Im Dezember 2017 organisierte die niederländische Good Textiles Foundation (www.goodtextiles.org) für eine kleine Gruppe an Unterstützern nachhaltiger Wertschöpfungsketten im Textilbereich eine Feldreise zu indischen Baumwollkleinbauern und Fabrikationsstätten. In drei Beiträgen werden hier Erfahrungen und Erkenntnisse zu Baumwollverarbeitung und -anbau veröffentlicht. Teil 2 befasst sich mit Umweltbedingungen in verarbeitenden Betrieben.

Einen ausführlichen Einblick in die Arbeit der Good Textiles Foundation gibt es in diesem Videobeitrag.

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