Ab jetzt greift das Lieferkettengesetz:
Keine Angst vor dem „Bürokratiemonster“
Ein Kommentar von Thomas Sommereisen,
Director Sustainability,
Scholz & Friends Reputation.
Lange wurde darauf hingearbeitet, seit dem 01. Januar 2023 greift es nun: Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) gilt ab sofort für alle deutschen Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitenden, ab 2024 dann auch für Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitenden. Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes sind in diesem Jahr allerdings noch keine unmittelbaren Nachweispflichten verbunden. Zwar beginnt der Berichtszeitraum für die großen Unternehmen ab dem 01. Januar 2023, der erste Bericht nach LkSG ist aber erst vier Monate nach Abschluss des Geschäftsjahres bei der zuständigen Behörde – dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) – einzureichen.
2023 ist also das Jahr, in dem die großen Unternehmen etablierte Prozesse anwenden und weiter ausarbeiten müssen, um die im Gesetz formulierten Sorgfaltspflichten zu erfüllen. Hierfür hatte das BAFA in den vergangenen Monaten sukzessive Handreichungen veröffentlicht. Aktuell umfassen diese: Handreichungen zur Etablierung eines Beschwerdeverfahrens, zur Umsetzung einer Risikoanalyse und zum Prinzip der Angemessenheit sowie einen detaillierten Fragenkatalog, der die Grundlage für den zu veröffentlichenden Bericht darstellt.
In der zweiten Jahreshälfte 2022 forderte die Unionsfraktion neben der FDP noch die Verschiebung des Lieferkettengesetzes – obwohl sie dieses während ihrer Regierungszeit mit der SPD selbst beschlossen hatte. Dabei gehe es den Parteien in der aktuellen Wirtschaftssituation darum, die Unternehmen nicht zusätzlich zu belasten. Rückendeckung erhielt die Union dabei von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), die in der Ausgestaltung des neuen Gesetzes ein „Bürokratiemonster“ mit realitätsfernen Verwaltungsvorschriften sieht und sich daher gegenüber dem Handelsblatt ebenfalls für eine Verschiebung aussprach.
Theorie vs. Praxis: Was Unternehmen in der Umsetzung wirklich erwartet
Müssen Unternehmen tatsächlich das von der BDA so betitelte „Bürokratiemonster“ fürchten? Und bieten die Handreichungen des BAFA den Unternehmen eine ausreichend praxisorientierte Hilfestellung, um die Sorgfaltspflichten systematisch umzusetzen?
Bei Scholz & Friends Reputation unterstützen wir Unternehmen unterschiedlicher Größen und Branchen dabei, die Anforderungen des LkSG gesetzeskonform umzusetzen. Auch wir haben daher die Veröffentlichung der BAFA-Handreichungen mit Neugier erwartet. Anspruch und Aufgabe sind schließlich umfassend: Handreichungen zur Umsetzung von menschenrechtlichen und umweltbezogenen Sorgfaltspflichten so auszugestalten, dass sie für jegliche Branchen in Deutschland Gültigkeit haben. Die veröffentlichten Unterlagen zeigten sich in ihren Beschreibungen zur Umsetzung der Sorgfaltspflichten erwartungsgemäß unkonkret. Das BAFA selbst betont jedoch die im Gesetz angelegte Bemühenspflicht: Es sei wichtig, den vielfältigen unternehmerischen Realitäten Rechnung zu tragen – insbesondere im ersten Berichtsjahr. Es gehe nicht um abgeschlossene Prozesse. Vielmehr würden plausible Darlegungen durch das BAFA angemessen gewürdigt. „Wenn ein Unternehmen sich bemüht, das Gesetz einzuhalten, dann sind wir deren Partner“, so betont es Torsten Safarik, der Präsident der BAFA gegenüber der WirtschaftsWoche.
Anders als Union und Wirtschaftsverbände machen wir unseren Kunden daher lieber Mut und begleiten sie im ersten Jahr mit einem pragmatischen Vorgehen bei der Umsetzung der gesetzlichen Sorgfaltspflichten. Die Handreichungen des BAFA geben zwar nicht die erhoffte praktische Hilfe, lassen aber die notwendige Flexibilität zu, um unternehmensindividuelle Vorgehen mit Augenmaß und der auch durch das BAFA betonten Angemessenheit zu entwickeln. Entsprechend führen wir gemeinsam mit unseren Kunden Risikoanalysen unter Bezugnahme der im LkSG benannten Angemessenheitskriterien durch, binden dabei wichtige Geschäftsbereiche ein und leiten aus der Analyse Präventions- sowie Abhilfemaßnahmen ab, die Risiken entlang der gesamten Lieferkette minimieren. Bei der Entwicklung von Beschwerdemechanismen müssen diese die gesamte Kette umfassen, dabei aber auch handhabbar bleiben. Hier gilt es eine sinnvolle Balance zwischen Aufwand und Nutzen zu finden. Außerdem unterstützen wir dabei, Steuerungsgremien innerhalb des Unternehmens aufzubauen, um die Umsetzung des LkSG langfristig zu festigen und die Wirksamkeit von Maßnahmen zu kontrollieren. Dabei orientieren wir uns im Vorgehen wie auch in der Dokumentation eng an der Ausgestaltung des BAFA-Fragebogens, um die Berichterstattung im Folgejahr gar nicht erst zu einem „Bürokratiemonster“ werden zu lassen.
Mit dem neuen Lieferkettengesetz kommt viel auf Unternehmen zu – und das in einer Zeit, in der die deutsche Wirtschaft bereits großen Belastungen ausgesetzt ist. Dennoch: Mit einem pragmatischen Vorgehen muss die Umsetzung des LkSG keine Überforderung darstellen, sondern wird zu einer tatsächlichen Reduzierung von Risiken in den eigenen Lieferketten führen.
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